Ex-Rugbyspieler Gerwyn Price gewinnt den Titel, Ex-Dominator Michael van Gerwen räumt den Darts-Thron. Die Darts-WM 2021 in London wirbelt die Spitze der Darts-Welt ordentlich durcheinander. Weil die Fans nur am Eröffnungstag in den "Ally Pally" dürfen, dominiert mehr als zwei Wochen lang der Dartsport die Schlagzeilen. Keine Ballermann-Stimmung, keine verrückten Kostüme. Und trotzdem geht das Turnier als eine der spektakulärsten Weltmeisterschaften aller Zeiten in die Geschichte ein. Das sind die Lehren der Darts-WM 2021.
Price siegt verdient und bleibt lange an der Spitze: Gerwyn Price gewinnt das Finale gegen Gary Anderson hochverdient mit 7:3, zeigt nur gegen Ende des Spiels Nerven beim Wurf auf die Doppelfelder. Im Interview nach dem Triumph hält Price den 25 Kilogramm schweren WM-Pokal in den Händen und sagt freudestrahlend: "Ich hoffe, dass sich die 500.000 Pfund genauso schwer anfühlen."
Nach dem hochverdienten Sieg im Endspiel ist der "Iceman" überwältigt. "Das bedeutet alles, das bedeutet die Welt für mich." Damit meint der Waliser nicht nur den Titelgewinn, sondern auch den Sprung an die Spitze der Weltrangliste. Da sich die sogenannte "Order of Merit" allein am gewonnenen Preisgeld innerhalb eines Zwei-Jahres-Zeitraums orientiert, lebt es sich als Weltmeister mit einer halben Million Pfund Preisgeld in der Tasche ziemlich entspannt. Insgesamt kommt Price innerhalb der vergangenen zwei Jahre auf über 1,3 Millionen Preisgeld. Der Vorsprung auf Michael van Gerwen und Peter Wright beträgt fast 300.000 Pfund.
Weil bis mindestens Ostern wegen der Corona-Pandemie überhaupt keine großen Ranglisten-Turniere stattfinden, wird Price von Platz eins so schnell nicht zu verdrängen sein. Der 35-Jährige kann sich sogar schon darauf einstellen, auch bei der nächsten WM als Nummer eins ins Turnier zu starten.
Van Gerwen, Wright, Smith & Co. - viele Favoriten enttäuschen: Es sieht nach den ersten Runden so aus, als könne sich Michael van Gerwen bei dieser WM nur selbst schlagen. Der langjährige Dominator der Darts-Welt startet mit drei überzeugenden Siegen ins Turnier - vor allem der dramatische 4:3-Sieg im Spektakel gegen Joe Cullen wird in Erinnerung bleiben. Doch dann kassiert Van Gerwen, der sieben Jahre lang die Weltrangliste angeführt hat, im Viertelfinale seine heftigste Niederlage. Dave Chisnall schickt den Niederländer mit einer 5:0-Demütigung nach Hause.
Noch früher ist das Turnier für Titelverteidiger Peter Wright beendet. Der Schotte kann sein Auftaktspiel zwar mit 3:1 gegen Steve West gewinnen, bekommt es in Runde drei aber mit einem bärenstarken Gabriel Clemens zu tun. Der deutsche Spitzenspieler sorgt für die größte deutsche Darts-Sensation, Wright scheitert früh.
Enttäuschend verläuft das Turnier auch für die Mitfavoriten Nathan Aspinall und James Wade (beide Aus in Runde drei), der zwar für den ersten Neun-Darter auf der WM-Bühne seit fünf Jahren sorgt, sonst aber nicht überzeugen kann. Die ganz großen Sorgenkinder sind allerdings 2018er-Weltmeister Rob Cross und der Vize-Champion von 2019, Michael Smith. Beide scheiden bereits im ersten Spiel aus. Nutznießer des Favoritensterbens sind neben Gary Anderson die Halbfinalisten Dave Chisnall und Stephen Bunting sowie Überraschungsmann Dirk van Duijvenbode, der von der Auberginen-Plantage ins WM-Viertelfinale einzieht.
Trotz Clemens-Erfolg ist in Darts-Deutschland noch viel zu tun: Aus deutscher Sicht verläuft das Turnier einigermaßen erfolgreich. Gabriel Clemens schlägt zunächst Nico Kurz im deutschen Duell, ehe er sensationell Weltmeister Wright in einem dramatisch knappen Spiel bezwingt, nur um dann in einem noch engeren Achtelfinale am Polen Krzysztof Ratajski zu scheitern. Sieben Matchdarts sind dort nicht genug für ihn. Entsprechend enttäuscht präsentiert sich der "German Giant" nach dem bitteren Aus im Sport-1-Interview: "Ich bin sauer auf mich selbst. So etwas darf mir nicht passieren."
Dramatisch scheidet Max Hopp bei seiner bereits achten WM-Teilnahme aus. In der zweiten Runde ist Mervyn King eine Nummer zu groß für den "Maximiser". Der 24-Jährige kann mit seiner Leistung aber einigermaßen zufrieden sein, auch wenn er weiter auf den großen Wurf warten muss.
Ob durch den Clemens-Erfolg ein Darts-Boom in Deutschland entsteht, bleibt abzuwarten. Die große mediale Präsenz lässt darauf hoffen, gleichzeitig machen Kenner aber auf die schlechten Strukturen an der Basis aufmerksam. Kommentator Elmar Paulke sagte etwa im Vorfeld der WM im ntv.de-Interview, dass Darts in Deutschland "am Ende der Erfolg eines Einzelkämpfers" sei. "Die Niederlande haben zum Beispiel eine viel größere Dichte an Spielern, die sind uns 15 Jahre voraus." Trotz des erstmaligen Einzugs eines Deutschen ins WM-Achtelfinale dürfte es schwer werden, den Dartsport hierzulande auf ein neues Level zu bringen. Das Fan-Interesse ist da, die Strukturen aber nicht.
Keine Fans - kein Problem? Wer in den vergangenen Jahren während des Durchzappens bei der Darts-WM hängen geblieben ist, dem hat es vielleicht auch die verrückte Stimmung im legendären "Ally Pally" angetan. Fans, die bierselige Gesänge anstimmen wie im Fußballstadion, Kostüme tragen wie beim Kölner Karneval. Das scheint jahrelang ein wesentlicher Faktor für den Darts-Hype in Deutschland zu sein. Eine lange Tradition wie in England hat der Sport hierzulande nicht.
Weil wegen der Corona-Pandemie Fans zunächst zwar teilweise zugelassen waren, aber schon ab dem zweiten Turniertag wegen verschärfter Regelungen draußen bleiben mussten, konzentrierte sich das Turnier zwangsläufig nur auf den Sport. Und das hat dem ein oder anderen nervösen Spieler vermutlich geholfen, seine Nerven beisammen zu halten. Keine Rufe aus dem Publikum, dafür nur Töne aus der Konserve. Viel wichtiger für die Entwicklung und Akzeptanz des Dartsports ist aber, dass das Event trotz seiner Fokussierung auf das sportliche Geschehen wieder extrem nachgefragt war. Die Einschaltquoten von Sport 1 verbesserten sich im Vergleich zum Jahr - trotz fehlender Fans.
Viele Unsicherheiten in 2021: Das Jahr 2021 wird erneut zur Belastungsprobe für die Professional Darts Corporation. Die Organisation pocht natürlich auf eine schnelle Rückkehr der Fans. Die finanziellen Verluste durch fehlende Ticketkäufe wiegen schwer. Die Preisgelder der Spieler werden durch die Einnahmen aus den Fernsehrechten und Ticketverkäufen bezahlt. Auf Dauer kann das nicht gut gehen. PDC-Chef Barry Hearn übt deshalb über sein Twitter-Konto Druck auf die Politik aus: "Wir brauchen Millionen von Impfungen pro Woche, nicht pro Monat. Es braucht Führungsstärke", schreibt der 72-Jährige.
Die Premier League, nach der WM das zweithöchstdotierte Turnier im Darts-Jahr, ist wegen der Corona-Krise bereits verschoben. Frühestens an Ostern soll es mit der finanziell so wichtigen Turnierserie weitergeben. Eine zweite Premier League ohne Zuschauer kann sich die PDC wohl kaum so einfach leisten. Deshalb hoffen die Verantwortlichen darauf, im Frühjahr wieder Zuschauer in die Hallen lassen zu können. Dafür darf dann auch der Sport wieder etwas aus dem Scheinwerferlicht rücken.
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