
Daniel-Kofi Kyereh feiert sein spätes Siegtor
Foto: Christian Charisius / dpaSzene des Spiels: Es lief die 88. Spielminute. Der HSV schien stehend K.o., dem FC St. Pauli erging es kaum besser. Dann schnappte sich Rodrigo Zalazar den Ball, dribbelte durch den linken Halbraum und chippte den Ball wunderbar auf den rechten Flügel, wo Außenverteidiger Luca Zander zur Grundlinie vorgerückt war. Zander flankte nicht blind in die Mitte, sondern legte überlegt zurück auf Daniel-Kofi Kyereh – und der schloss mit jeder Menge Wucht in die kurze Ecke ab. Der erste Treffer des Tages, der einzige Treffer des Tages: Das Derby war entschieden.
Das Ergebnis: 1:0 gewinnt der FC St. Pauli das Hamburger Stadtderby gegen den Hamburger SV, und damit bestätigen beide Teams ihren Trend. Der HSV, der von den Aufstiegsrängen auf Platz vier rutscht und seit vier Spielen sieglos ist – und der FC St. Pauli, bis vor Kurzem ernsthaft abstiegsbedroht, aber nun seit fünf Spielen ungeschlagen und neuer Tabellenelfter.
Folklore, Folklore: Emotionen in den Fußball des Geisterspielzeitalters zu bringen, ist eine Kunst für sich. HSV-Trainer Daniel Thioune versuchte es im Vorfeld mit dem Appell an hanseatische Arbeitsmoral, sagte: »Der HSV ist Hamburg. Und Hamburg ist nicht nur Elbe und Alster, Hamburg ist auch harte Arbeit, ist auch Hafen.« Rund um das Stadion am Millerntor war vor Anpfiff eher Hafengeburtstag: Feuerwerk erhellte den Nachthimmel. Und so war es, trotz leerer Ränge, doch irgendwie atmosphärisch vor dem Duell der Stadtrivalen.
Freistoßtraining: Auch auf dem Rasen begann das Hamburger Derby spektakulär. Dafür sorgte vor allem ein Mann: HSV-Edeltechniker Sonny Kittel feuerte in der Anfangsphase des Spiels Freistoß um Freistoß ab, allesamt mit Wucht und einer fast maschinellen Präzision. Ein direkter Versuch aus über 30 Metern klatschte nach nur einer Minute an die Latte, ein weiterer Freistoß aus unwesentlich geringerer Distanz verlangte St.-Pauli-Torhüter Dejan Stojanovic alles ab (12.). Und auch als Vorbereiter glänzte Kittel: Eine Hereingabe nach ruhendem Ball köpfte Gideon Jung per Aufsetzer ebenfalls an die Querlatte (21.)
Ziereis flieht, damit er nicht fliegt: So viele gute Freistoßgelegenheiten kommen natürlich nur dann zustande, wenn auch ordentlich gefoult wird. Diese unrühmliche Aufgabe übernahm für die Kiezkicker immer wieder Kapitän Philipp Ziereis. Schiedsrichter Deniz Aytekin, nach einer Achillessehnen-OP in dieser Saison erstmals im Einsatz, verwarnte Ziereis schon nach elf Minuten. Zwei weitere Vergehen später ließ St. Paulis Trainer Timo Schultz dann lieber Vorsicht walten: Ziereis ging in der 28. Minute vom Feld; für ihn kam Tore Reginiussen ins Spiel.
Seemannsknoten: Viel zu sehen vom HSV gab es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr. Ein Schlenzer von St. Paulis Rodrigo Zalazar hatte den Umschwung bei den Spielanteilen angekündigt (17.), Guido Burgstaller (23.) und besonders Omar Marmoush (27.) aus spitzem Winkel vergaben weitere Gelegenheiten. Ohnehin steht der Ägypter Marmoush, im Januar für ein halbes Jahr als Leihgabe vom VfL Wolfsburg gekommen, wie kein Zweiter für den Aufschwung am Millerntor: So, wie Marmoush Gegenspieler Jung im HSV-Strafraum Seemannsknoten in die Beine spielte, dribbelt sich der dynamische Angreifer seit Wochen durch die zweite Liga. Niemand im Unterhaus sucht so häufig die Eins-gegen-eins-Situation, allein in den ersten 45 Minuten gewann Marmoush, mit 34,91 Kilometern pro Stunde schnellster Spieler auf dem Platz, fünf direkte Duelle.

Kaum zu bremsen: St. Paulis Omar Marmoush
Foto: CB / imago images/Claus BergmannBei Ulreich flutscht es ungewollt: Nach der Pause kehrte das flaue Gefühl der Vorwoche zurück in den HSV-Magen. Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte soeben auf Elfmeter für den FC St. Pauli entschieden. Torhüter Sven Ulreich war eine harmlose, flache Flanke aus den Händen geflutscht, der bereits verwarnte Gideon Jung war in St. Paulis Rodrigo Zalazar gerauscht. Schon am letzten Spieltag, beim 2:3 gegen den Tabellenletzten Würzburger Kickers, hatten Ulreichs Unsicherheiten entscheidend zur Niederlage beigetragen. Aytekin schaute sich die Szene noch einmal an. Um Jung vom Platz zu stellen? Nein, um den Strafstoß zurückzunehmen. Der HSV atmete durch.
Die Ruhe vor dem Sturm: Der Rest der zweiten Halbzeit verlief lange vergleichsweise ereignislos. Simon Terodde schoss zwar einmal ins gegnerische Tor, Aytekin durfte sich aber aussuchen, ob der den Treffer wegen Handspiels oder Abseits nicht anerkennen wollte (64.). Auch Burgstaller bot sich noch eine Gelegenheit (69.), doch überwiegend sah es so aus, als hätten beide Mannschaften sich mit dem 0:0 arrangiert – bis zum Auftritt von Zalazar und Kyereh.
Trauriges Ende: In der Nachspielzeit kam es dann noch schlimmer für den HSV. Tim Leibold, Linksverteidiger, Dauerbrenner und Leistungsträger, ließ seinem Frust freien Lauf – und trat Gegenspieler Guido Burgstaller ohne jede Not gegen das Schienbein. Aytekin begutachtete auch diese Szene noch einmal in Ruhe via Videoaufzeichnung, diesmal ließ er Gnade nicht vor Recht ergehen: Leibold sah glatt Rot, dürfte dem HSV im Aufstiegskampf einige Wochen fehlen.
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