In den Boden gepresstes Kohlendioxid (CO₂) galt lange als zu riskant, weil es Erdstöße auslösen kann. Angesichts des sich zuspitzenden Klimawandels wird die Technik jedoch salonfähig, nennt Bundeskanzler Olaf Scholz sie »faszinierend« . Jetzt planen die Öl- und Gaskonzerne Wintershall Dea und Equinor ein gemeinsames Projekt zum Transport und zur Speicherung von CO₂ in der Nordsee.
Eine rund 900 Kilometer lange Pipeline, die noch vor 2032 in Betrieb gehen soll, werde CO₂ aus Norddeutschland zu den Speicherstätten vor der norwegischen Küste transportieren, wie die beiden Unternehmen am Dienstag mitteilten. Unterirdische Speicher auf hoher See, wie sie Norwegen schon seit vielen Jahren betreibt, gelten unter Experten als sicherer mit Blick auf Erdstöße.
Die geplante Pipeline soll eine Transportkapazität von jährlich 20 bis 40 Millionen Tonnen CO₂ haben, was etwa 20 Prozent der gesamten deutschen Industrieemissionen pro Jahr entspricht. Der Transport und die unterirdische Lagerung könnten bereits früher starten – dann würde das CO₂ bis zur Fertigstellung der Pipeline per Schiff transportiert werden.
Wintershall und Equinor wollen zudem Lizenzen für die Offshore-Speicherung von CO₂ beantragen, um 15 bis 20 Millionen Tonnen pro Jahr in der Nordsee zu speichern. »Die Partnerschaft soll Deutschland, den größten CO₂-Emittenten in Europa, und Norwegen, das über das größte CO₂-Speicherpotenzial in Europa verfügt, miteinander verbinden«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Angebot über die Grenzen Europas hinaus geplant
Die Unternehmen wollen technische und kommerzielle Lösungen schaffen, die über die Grenzen Europas hinweg reichten. Damit gehen die beiden Konzerne verstärkt in einen Markt, dem zukünftig hohe Wachstumsraten zugeschrieben werden. Aufgrund der von Russland zurückgehaltenen Gasmengen erleben fossile Energieträger eine Renaissance, um die Versorgung zu sichern. Das erhöht jedoch den Ausstoß der klimaschädlichen Gase. Eine Eindämmung des CO₂ wird damit noch bedeutsamer.
Das Speichern von CO₂ im Boden mittels der Technik CCS (Carbon Capture and Storage) wurde bislang als teuer und riskant angesehen . Bei diesem Verfahren wird aus der Luft gesaugtes CO₂ in tiefe Erdschichten gepresst, was auch den Meeresboden einschließt. Bei bestimmten Gesteinen kann das Gas mineralisieren und so dauerhaft gespeichert werden. Das ist jedoch nicht in jedem Fall sicher, bemängeln Kritiker.
Wandel nach vielen Rückschlägen
Energiekonzerne wie RWE und Vattenfall mussten CCS-Projekte nach Protesten von Anwohnern stoppen, vergeblich hatten sie ein CCS-Gesetz gefordert, um Rechtssicherheit und öffentliche Akzeptanz zu erreichen. Nun allerdings gehen Experten von einem Zukunftsmarkt mit Milliardenumsätzen aus.
Equinor, Shell und TotalEnergies haben kurz zuvor ihr erstes kommerzielles Abkommen über den Transport von CO₂ unterzeichnet, das von einer Yara-Düngemittelfabrik in den Niederlanden ausgestoßen wird. Es soll ebenfalls unter der Nordsee gespeichert werden. Die Vereinbarung ist die erste über grenzüberschreitenden CO₂-Transport und -Speicherung weltweit.
Laut der Internationalen Energieagentur ist die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung von entscheidender Bedeutung für die Verringerung der weltweiten CO₂-Emissionen, auch aus schwer abbaubaren Sektoren wie der Zementherstellung, um die globale Erwärmung zu bremsen. Umweltschützer kritisieren, dass CCS das Zeitalter der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen zur Energiegewinnung nur verlängert und die Welt eher auf erneuerbare Energien umsteigen muss.
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