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Religionen und ihre Bestattungskultur - Ludwigsburger Kreiszeitung

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Ludwigsburg. Weiße Steine fassen ein Grab ein. An der Kopfseite steht eine weiße Bank aus Plastik, bemalt mit bunter Farbe und einem Namen, der auf eine türkische Herkunft schließen lässt. Zwei Grabfelder weiter erhebt sich ein Erdhaufen auf einem Grab. Ein bisschen Unkraut hat sich darauf breit gemacht. Es gibt weder Grabstein noch sonst einen Hinweis auf die Person, die hier begraben liegt.

Diese Gräber sehen ein bisschen anders aus als die, die man auf dem großen Gräberfeld des Ostfriedhofs sonst sieht. Es sind muslimische Gräber. Inmitten derer, unter einem großen Kirschbaum, hatte sich die Teilnehmergruppe versammelt. Es war das erste Mal, dass die Stadtverwaltung zu einer solchen interreligiösen Begegnung geladen hatte, und er Erfolg gab ihr recht: „Innerhalb weniger Tage waren alle 50 Teilnehmerplätze vergeben“, sagte Anne Kathrin Müller.

Ob das mit der Schändung mehrerer alevitischer Gräber auf dem Ostfriedhof zu tun hat (siehe extra Text), ist fraglich, der Vorfall sorgte jedoch für zusätzliche Aktualität des Themas.

Es hatte den Anschein, als würde Imam Bilal Bitis von der türkisch islamischen Gemeinde Kornwestheim Ditib genau darauf Bezug nehmen, als er sagte: „Respekt den Verstorbenen gegenüber und Respekt dem Friedhof gegenüber ist für unsere Religion ein hohes Gut. Eine Zerstörung auf dem Friedhof, das macht man in unserer Religion nicht.“

Anders als die muslimischen Gräber, die sehr individuell gestaltet sind und keiner Norm entsprechen, sind die Gräber der Aleviten alle mit einem Grabstein versehen, wie man es aus der hiesigen Beerdigungskultur kennt. „Wir glauben, dass die Seele nach dem Tod zu Gott geht und von dort wieder zurück auf die Erde kommt. Sei es in Form einer Pflanze, eines Tieres oder im besten Fall wieder als Mensch“, erklärte Cem Erdem von der alevitischen Gemeinde Ludwigsburg. Eine Kerze auf dem Grab soll der Seele Licht auf ihrem Weg zu Gott spenden. Manche Gräber sind geschmückt mit einer Engelsfigur. Die habe jedoch keinen religiösen Hintergrund bei den Aleviten, „das gestalten die Hinterbliebenen ganz individuell“, so Erdem.

Für die christliche Beerdigungskultur sprach unter anderem Pfarrer Heinz-Martin Zipfel von der katholischen Gemeinde St. Paulus. Er sagte: „Die Toten zu begraben, das ist ein Werk der Barmherzigkeit und ein Akt der Menschenwürde.“

Rabbiner Yehuda Pushkin von der israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg erläuterte die jüdische Beerdigungskultur. Rund 3000 Mitglieder zählt die Gemeinschaft in Württemberg, allein in Stuttgart sind es rund 2000 Gläubige. „In Ludwigsburg haben wir keine eigene Gemeinde.“

Die buddhistische Gemeinde Ludwigsburg ist eine kleine Gemeinde. Sie zählt laut Shigeko Fukui-Fauser nur 20 Personen, und noch gibt es kein buddhistisches Grab auf einem der Ludwigsburger Friedhöfe. Standardisierte Trauer- und Bestattungsrituale gibt es ihren Worten nach kaum, da der Buddhismus viele unterschiedliche Ausprägungen hat. „Wir haben aber fast ausschließlich Feuerbestattungen, und ein Verstorbener wird für gewöhnlich einen Tag zu Hause aufgebahrt, damit alle Abschied nehmen können.“ Das könne aber auch bis zu drei Tage dauern. „Wenn ich sterben würde, ich müsste erst nachfragen, wie das hier alles geht“, sagt sie lachend.

Seit 2001 gibt es in Ludwigsburg den Dialog der Religionen. Er wurde nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York ins Leben gerufen.

Ostfriedhof: Alevitische Gräber geschändet

Zerstörte Engelsfiguren und in den Müll geworfene Grablichter – für die alevitische Gemeinde Ludwigsburg ist das, was sich vor wenigen Tagen auf dem Ostfriedhof ereignet hat, kein Dummerjungenstreich, sondern Grabschändung. Deshalb haben sie Anzeige bei der Polizei gestellt.

Rund 700 Mitglieder zählt die alevitische Gemeinde Ludwigsburg, doch noch nie habe es hier bislang einen solchen Vorfall gegeben.

Cem Erdem will keinen Schuldigen ausmachen. „Es gibt Vorurteile den Aleviten gegenüber“, sagt er. Aus welcher Richtung dieser Anschlag gekommen sein mag, dazu will er sich nicht festlegen. „Wir hoffen, dass wir das durch den gemeinsamen Dialog der Religionen bewältigen können.“

Aleviten sind bis heute Zielscheibe von Anschlägen und Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheitsgesellschaft der Türkei. Michael Blume, Religionswissenschaftler und Antisemitismus-Beauftragter der Landesregierung kennt solche Anschläge vor allem aus der Türkei. Dahinter stecke die Vorstellung, dass die Türkei bedroht wäre durch fremde Verschwörungen“, sagte er kürzlich in einem Interview. Es überrasche ihn nicht, „dass es Menschen gibt, die diesen engstirnigen Nationalismus nach Deutschland bringen.“ Anders als in der Türkei sind die Aleviten in Deutschland als Religionsgemeinschaft anerkannt.

Cem Erdem und seine Gemeinde wollen keinen großen Wirbel machen. „Vielleicht waren es auch einfach unachtsame Kinder, die das gemacht haben“, sagt er, aber in seiner Stimme schwingt Zweifel mit. (je)




July 06, 2020 at 11:00AM
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