Sie sind schnell wie Sportwagen und kommen zumindest in der Theorie mit einer Akkuladung durch die halbe Republik. Doch dafür haben Elektroautos wie ein Tesla Model S oder ein Audi E-tron schier endlose Ladezeiten, sind schwerer als mancher Kleinlaster und kosten so viel wie eine Luxuslimousine: Massentauglich sind solche Fahrzeuge nicht und in den Augen vieler Kritiker obendrein hoffnungslos überdimensioniert.
Während sich die E-Mobilität mit Autos wie dem VW ID3 oder dem elektrischen Opel Corsa gerade auch in den Volumensegmenten breitmacht, lenken einige Hersteller den Blick deshalb noch weiter nach unten und bedienen eine vergleichsweise neue, noch kleinere Fahrzeugklasse. Mini-Mobile, die mit bescheidenen Fahrleistungen und geringen Reichweiten auf den urbanen Verkehr zugeschnitten sind, sollen E-Mobilität für kleines Geld gerade in Ballungszentren groß heraus bringen und die Städte wieder lebenswerter machen.
Ein guter Freund
Der jüngste Vorstoß in dieser Richtung kommt von Citroen und heißt Ami. Benannt nach einem Erfolgsmodell aus den 1960er Jahren präsentieren die Franzosen eine Art Schuhkarton auf Rädern, dessen Kunststoff-Karosserie gerade mal 2,41 Meter lang und 1,39 Meter breit ist. Damit beansprucht er noch weniger Verkehrsfläche als ein Smart, ist mit einem Wendekreis von 7,20 Metern sogar handlicher.
Angetrieben wird der Ami von einem E-Motor, der eine Geschwindigkeit von 45 km/h ermöglicht, so dass der Wagen mit dem entsprechenden Führerschein auch von 16-Jährigen gefahren werden darf. Mit dem Strom aus einem 5,5 kWh großen Akku soll er bis zu 70 Kilometer weit kommen. Danach muss der nicht einmal 500 Kilo schwere Kleinstwagen für drei Stunden an die Haushaltssteckdose.
Preise für Deutschland nennt Citroen noch nicht, doch empfiehlt Pressesprecher Christopher Rux den Blick nach Frankreich als Orientierung: Dort startet der Ami bei 6000 Euro und kann im günstigsten Fall für 20 Euro im Monat geleast werden.
Rückkehr der Knutschkugel
Genau wie Citroen zum sauberen Antrieb reichlich Charme ins Rennen wirft und mit einem alten Namen wirbt, hoffen gerade auch zwei Hersteller aus der zweiten Reihe mit einem Kunstgriff in die Mottenkiste der Mobilität auf das große Geschäft mit kleinen Autos. Sie lassen sich dabei von der legendären Isetta inspirieren.
Microlino aus der Schweiz und der Zulieferer Artega aus Delbrück haben beide eine Neuinterpretation der Knutschkugel vorgestellt und den Verkauf für dieses Jahr angekündigt. Beide sind so lange mit einem derart ähnlichen Entwurf über die Messen getingelt, dass neben den Entwicklern auch die Juristen Überstunden machen mussten. Doch nach Gerichtsverfahren und ein paar Designretuschen dürfen nun tatsächlich beide ihr Auto auf den Markt bringen.
Auch wenn sich der Artega Karo und der Microlino nun nicht mehr ganz so ähnlich sehen, ist die Idee identisch: Ein extrem kurzes und handliches Auto mit zwei Sitzen, dessen einzige Tür wie bei einem Kühlschrank nach vorne öffnet.
Und auch technisch sind die beiden Autos nah beieinander: Der Microlino bietet für 12 000 Euro aufwärts einen 11 kW starken Motor für maximal 90 km/h und zwei Akku-Größen für 125 oder 200 Kilometer Reichweite. Artega verspricht für knapp 14 000 Euro ebenfalls 90 km/h Höchstgeschwindigkeit und identische Reichweiten.
Grenze zur Mobilitätshilfe
Ganz neu sind solche Fahrzeuge an der Grenze zwischen Mobilitätshilfe und Auto allerdings nicht. Und einige davon haben es zu erstaunlicher Präsenz im Straßenverkehr gebracht. Nicht umsonst sieht man etwa den eigenwilligen Renault Twizy mit seiner schmalen Spur und seinen freistehenden Rädern zumindest in den Metropolen mittlerweile häufig.
Zwar feiert Renault 30 000 Twizys in acht Jahren als respektablen Erfolg, doch bei konventionellen Kleinwagen wie dem Twingo erreichen die Franzosen solche Zahlen in wenigen Monaten.
Unternehmensberater Andreas Radics traut elektrischen Isetta-Neuinterpretationen durchaus zu, wie einst der Fiat 500 oder der Mini über das emotionale Design Lifestyle-Käufer zu erreichen, und in die Pools von Sharing- oder Mobilitätsdiensten aufgenommen zu werden. „Doch der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen können solche Fahrzeuge kaum”, meint Radics von Berylls Strategy Advisors.
Dazu mangele es ihnen an der Nutzbarkeit, sagt Radics: „Reichweite, Geschwindigkeit und Raumangebot können nicht mit konventionellen Autos konkurrieren. Deshalb sind sie nur eingeschränkt alltagstauglich.” Damit füllten sie eine Nische, blieben aber eben auch nur eine Randerscheinung bei der Mobilitätswende. Und noch etwas fehle den Kleinen häufig eines: „Neben dem Produkt müssen auch Vertrieb, Service und Aftermarket-Angebot stimmen und das sehen wir bei den Newcomern überwiegend nicht.”
Nischenprodukt für Individualisten?
Auch Stefan Möller vom E-Auto-Vermieter Nextmove ist eher skeptisch: „Als Nischenprodukte für Individualisten werden die Kleinen sicher Fans finden. Aber an einen kurzfristigen Durchbruch glauben wir nicht.” Das liege nicht zuletzt an den Herstellern und der Politik: „Kein großer deutscher Hersteller hat passende Fahrzeuge im Angebot, deshalb fehlt auch die Unterstützung aus Berlin.”
Das schlage sich im Geldbeutel nieder, meint Möller. Der Umweltbonus werde eben nur „echten” Autos gewährt, Kleinstfahrzeuge wie Twizy & Co seien von den 6000 Euro Förderung ausgeschlossen, so dass die Preisdifferenz zu einem Smart oder einem VW E-Up plötzlich sehr klein werde.
Wie groß die Hürden für einen elektrischen Kleinwagen sind, das musste nicht zuletzt das Start-Up „e.Go” aus dem Umfeld der Universität Aachen lernen. Denn so viele Vorschusslorbeeren deren Kleinwagen Life auch geerntet hat, weil er knuffig aussieht und weil er trotz 41 kW oder 57 kW und maximal 120 km/h oder 130 km/h tatsächlich so etwas wie Fahrspaß bietet.
Der Life lässt sich offenbar nicht wirtschaftlich produzieren und zu Preisen ab 22 701 Euro bei bestenfalls 140 Kilometern Reichweite in ausreichender Zahl verkaufen. Zwar wollen die Macher nicht aufgeben - doch fürs Erste hat „e.Go” Insolvenz angemeldet.
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August 28, 2020 at 10:28AM
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Mini-E-Mobile für die Stadt - Main-Post
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