Nach zehn Monaten Pandemie und nach kalten Wintermonaten mit Fensterlüftungen im 20-Minuten-Takt rüstet jetzt die erste Schule in Hannover Raumlüftungsgeräte nach. Sie wurden gespendet von der Firma Viessmann und zunächst der Stadt für ihre Schulen angeboten. Die wollte aber nicht. Jetzt freut sich die private St.-Ursula-Schule. „Wir finden es großartig, dass wir an diesem Projekt teilnehmen dürfen“, sagt Schulleiter Norbert Junker und strahlt unter seiner Maske.
Lüftungsgeräte in Schule in Hannover installiert
Viessmann spendet bundesweit 50 solcher Geräte an Schulen, um sie unter Realbedingungen zu testen. „Unsere Techniker haben sie innerhalb von drei Monaten speziell für den Schulbetrieb weiterentwickelt“, sagt Viessmann-Niederlassungsleiter Kay Glenewinkel. Die Technik wurde massiv reduziert, um Anwenderkomplikationen zu vermeiden. Es gibt nicht einen einzigen Schalter: Alles steuert sich automatisch, indem der Anteil der verbrauchten Luft (C02-Gehalt) im Klassenzimmer gemessen wird.
Die Anlagen sind keine mobilen Raumlüfter, deren Nutzen stark umstritten sind, sondern fest installierte Geräte mit Rohren für Frischluftzufuhr. Sie wälzen 800 Kubikmeter Luft pro Stunde um. Eine Hälfte davon wird mit einem Hepa-14-Filter „gewaschen“, der auch in medizinischen Labors angewendet wird. Die andere Hälfte wird nach draußen gepumpt, wobei ein Wärmetauscher die Heizenergie bewahrt und der angesaugten Frischluft wieder zuführt. Das Gerät wird über einen normalen 230-Volt-Stecker angeschlossen und verbraucht bei Volllast maximal 350 Watt – also etwa ein Achtel eines handelsüblichen Haarföns.
Stromkosten billiger als Heiz-Mehrkosten
Die Stromkosten dürften sich bei zehnstündiger Volllast-Nutzung auf etwa 1,20 Euro belaufen. Schulhausmeister Thomas Köhler mag noch keine Schätzung abgeben, um wie viel höher in diesem Winter die Heizkosten wegen der ständigen Fensterlüftung sein werden. Aber billiger werde es mit den Geräten mit Sicherheit, sagt er. „Und niemand muss mehr frieren“, sagt Schulleiter Junker.
Der Kontakt zum regionalen Viessmann-Chef war über die Schulelternratsvorsitzende Sybille Heesen zustande gekommen. Sie ist Architektin und Energieberaterin und arbeitet mit Glenewinkel an einem Brennstoffzellenprojekt. Als er erzählte, dass die Stadt sich wochenlang zierte, das Viessmann-Geschenk anzunehmen, griff sie sofort zu. Weil sich ein anderes Projekt verzögert hat, bekommt die St.-Ursula-Schule sogar zwei der inklusive Einbau etwa 13.000 Euro teuren Geräte. Schulelternratschefin Heesen hat dafür nur einen Kommentar: „Yippieh!“
Physik-AG bastelt Messgeräte
Derzeit nutzen eine siebente und eine zehnte Klasse die Räume, die jetzt Lüftungsgeräte haben. Die Physik-AG will CO2-Messgeräte bauen, um Vergleichsexperimente in Räumen mit und ohne Lüftungstechnik herzustellen. Praxisnahe Wissensvermittlung sei das, sagt Schulleiter Junker. Er rechnet nicht damit, dass es heftige Verteildiskussionen gibt, wenn zum nächsten Schuljahr den Klassen ihre Räume zugeteilt werden. „Wir gehen hier alle fair miteinander um.“ In weiteren Klassenzimmern und Fachräumen sei der Einbau schwierig, weil die 1,70 mal 2 Meter großen Geräte zu viel Platz wegnehmen.
Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung sind in skandinavischen Ländern längst Standard für Klassenzimmer, weil Kinder sich besser konzentrieren können, wenn der CO2-Gehalt der Luft nicht zu hoch wird. Die Stadt lässt Lüftungsanlagen in Schulneubauten installieren. Die Anschaffung von Lüftungsanlagen für Bestandsgebäude wurde erst kürzlich in einer Ratssitzung abgelehnt.
So funktionieren die Lüftungsgeräte
Egal ob von Viessmann, Rosenberg oder anderen Herstellern: Die Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung funktionieren im Grundsatz alle gleich. Im oberen Bereich wird verbrauchte Luft angesaugt. Das Gerät bläst einen Teil aus dem Gebäude hinaus und saugt dafür Frischluft an, wobei der Abluft die Wärme entzogen und der Zuluft wieder zugeführt wird. Das Prinzip dieser Wärmetauscher ist seit Jahrzehnten erprobt. Der andere Teil der Luft wird durch einen Filter gedrückt und dann gereinigt wieder abgegeben, verlässt den Raum also nicht. Fast alle Anlagen werben mit dem Fachbegriff Hepa-Filter. Nur in Profi-Anlagen aber kommen Hepa-14-Filter zum Einsatz, die die Ausbreitung von Viren mit 99,995 prozentiger Sicherheit verhindern.
Die gereinigte und/oder frisch zugeführte und vorgewärmte Luft strömt dann an der unteren Geräteseite wieder aus. Sie verteilt sich als „Luftsee“ über den Boden und steigt durch einen simplen thermischen Effekt im Raum auf: Sie erwärmt sich durch die Körpertemperatur der Schülerinnen und Schüler.
Technisch ist es schwierig, die Geräte so gut schallzudämpfen, dass sie kein Störgeräusch im Unterricht darstellen. Außerdem muss die Lüftung so sensibel eingestellt sein, dass keine Zugluft spürbar ist.
Regionselternrat fordert Raumlüfter
Mitte Januar hat der Regionselternrat einen freundlichen, aber deutlichen Brief an die politischen Verantwortungsträger in Region und Land verfasst mit bitteren Sätzen dazu, dass weder die Sommer- noch die Winterpause genutzt worden seien, um die Situation an den Schulen nachhaltig zu verbessern. Es geht unter anderem um bessere Ausstattung mit FFP-2-Masken, Acrylglas-Trennwände und Abstimmungsprobleme. Erste Forderung der Elternvertreter aber sind: Raumlüfter.
Regions-Schuldezernent Ulf-Birger Franz beschied das in einem Antwortschreiben abschlägig und verweist auf den wissenschaftlich umstrittenen Nutzen von Mobilgeräten. In der St.-Ursula-Schule hat man diese Debatte jetzt überwunden – zumindest schonmal in zwei Klassenzimmern.
Von Conrad von Meding
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