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Champions League: Die Torte im Gesicht der Bayern - Süddeutsche Zeitung - SZ.de

Gleich muss die Rede von Torten sein, und davon, was Patisserie mit dem neuen Selbstverständnis von Paris und seinem Fußballverein, Paris Saint-Germain, zu tun hat. Im erweiterten Sinn natürlich.

Aber zunächst zur Szene in der Umkleide. Es gibt Aufnahmen davon, wie ausgelassen die Pariser das schmerzlose 0:1 gegen den FC Bayern im Viertelfinale der Champions League gefeiert haben. PSG ist immer sehr generös mit Bildern aus den eigenen Kulissen, von Trainings und Getratsche unter Spielern in der Garderobe: Der Verein vertreibt sie über die sozialen Medien, als wollte man die Wachstumsgeschichte gewissermaßen live streamen, und irgendjemand wird sie ja wohl sammeln für die Nachwelt. Nach geschaffter Qualifikation tanzten die Spieler in Unterhosen auf den Möbeln, es sprudelte Flüssiges, von dem auf die Schnelle nicht zweifellos zu erörtern war, ob es was nobel Perlendes war oder nur Wasser. Gibt es da Anlass zu noch mehr Freude und noch mehr Feier?

In einer Szene sieht man, wie der katarische Präsident des Vereins, Nasser al-Khelaïfi, Emissär des Emirs aus Doha, die Spieler abklatscht, wie ein Kumpel. Alle diese Millionen, sie waren eben doch nicht für die Katz. Al-Khelaïfi trägt Gesichtsschutz, natürlich als Einziger. "Wir sind nun wirklich dabei, bei den ganz großen Vereinen", sagte er, und dieser Satz resümiert die allgemeine Gefühlslage ganz gut. Er fügte dann noch an, Kylian Mbappé und Neymar hätten keine Entschuldigung mehr, um den Verein zu verlassen. Mit beiden ringt er gerade um neue Verträge. Man ist dabei, ganz oben, nicht nur mehr finanziell, sondern auch sportlich. Barça im Achtelfinale geschlagen, Bayern im Viertelfinale - wer hätte das vor ein paar Wochen für möglich gehalten?

"Enorme!", titelt "Le Parisien", die meistgelesene Zeitung in Frankreich, groß über die erste Seite. Der Komplex des ewigen Parvenü, ohne Geschichte und ohne Seele - er löst sich gerade auf. Die letzten Minuten des verrückten Spiels gegen Bayern zeigten das auch an der Attitüde. Man hätte meinen können, PSG sei sich keiner Gefahr bewusst, zu keinem Zeitpunkt. Dabei wogte das Spiel ja hin und her, in wunderbar anarchischen Wellen, getragen von nimmermüden Offensivabteilungen, und es hätte zum Schluss leicht kippen können. Sehr leicht. Und Paris so? Amüsierte sich, mit Beinschüssen und anderen Prestigenummern, als wäre man schon sicher durch, als vertrete man sich noch etwas die Beine. Trainer Mauricio Pochettino brachte Moise Kean für Julian Draxler, einen sehr offensiven Stürmer für einen weniger offensiven - ohne Konzession an den Spielplan. Als "Poche" nach dem Spiel gefragt wurde, wie er die aufreibende Schlussphase erlebt habe, sagte er: "Ganz ruhig, normal."

"PSG wird Teil der Geschichte des französischen Fußballs"

Man gehört jetzt dazu, auch die Gespenster denkwürdiger Debakel aus der jüngeren Vergangenheit fliegen weg. "PSG stand immer nahe am Bruch, verbeult an allen Stellen, aber nie im Herzen getroffen", schreibt der "Parisien". In keiner einzigen der 180 Minuten, Hin- und Rückspiel gerechnet, sei Paris nicht qualifiziert gewesen. "Ein Triumph, ein unwahrscheinlicher Zauber, eine zarte Schwade im Lockdown." Man hat nun mal einen Hang zur Poesie.

Erst zwei französischen Mannschaften war es davor gelungen, sich an zwei aufeinanderfolgenden Jahren für das Halbfinale in der Königsklasse zu qualifizieren, es ist lange her: Saint-Etienne Mitte der Siebziger Jahre, Olympique Marseille zu Beginn der Neunziger. Und Paris schaffte es im vergangenen Jahr bekanntlich ins Finale. "PSG wird Teil der Geschichte des französischen Fußballs", schreibt "L'Équipe", als wäre das erst jetzt passiert, mit dem Sieg über die Bayern.

Auch Seele war da, und obschon diese Kategorie natürlich schwer messbar ist: Seit ein paar Jahren reicht ein Blick auf Neymar, in den allerersten Minuten schon, um zu verstehen, ob Herz im Team ist. Und Neymar war da, von Beginn weg, eine furiose Ode an sein Talent - höchst selbst vorgetragen. Sogar Mbappé verschwand in seinem Schatten. Zwei Pfostenschüsse, ein Lattenschuss, nur ein Tor fehlte. Und wenn er verteidigen sollte, verteidigte er. 85 Mal hat Neymar den Ball berührt, "L'Équipe" trug jede Ballberührung in eine Karte des Platzes ein: Er war überall.

Und so meinte auch der launische Brasilianer nach dem Spiel, PSG sei nun ein großer Verein. Als wäre das die Geburtsstunde gewesen. Ähnlich laut wie für Neymar gerät die Eloge der französischen Medien für den senegalesischen Mittelfeldspieler Idrissa Gana Gueye, der so viele Bälle der Bayern abfing, sich so oft dazwischenstellte, dass Paris auch deshalb zum Ende recht ruhig blieb. Normal eben.

Aber nun noch zur Patisserie. "Libération" schreibt in ihrer Analyse des Spiels, die Pariser seien paradoxerweise viel souveräner aufgetreten im Rückspiel, das sie verloren haben, als beim Sieg in München. "Aber mittlerweile ist es so, dass sie den Gegnern mehr Torten ins Gesicht schmeißen, als sie verpasst bekommen." Selbst den wirklich großen Gegnern, wenn die es am wenigsten erwarten.

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